Der Johannisbrotbaum blüht. Stehe ich in seiner Nähe, duftet es leicht nach Vanille. Der Duft als Verbindung zwischen ihm und mir. Seine Früchte sehen aus wie riesige braunen Bohnen. Wenn man sie öffnet, finden sich im Innern der Fruchthülse kleine, harte Samen. Alle Samen sind etwa gleich schwer. Deshalb wurden sie in der Antike als Wiegeeinheit für Diamanten genutzt. Mit ihnen wurde bestimmt wie viel Karat ein Diamant hat. Der Baum ist also nicht nur mit mir verbunden, und auch nicht nur mit dem Land, auf dem er steht, sondern auch mit einem Teil unserer kulturellen Geldwirtschaft.
Gestern habe ich an fünf verschiedenen Orten je fünf Samen gepflanzt. Vielleicht blühen sie in sieben Jahren, vielleicht dauert es aber auch länger. Er wächst entlang seiner Lebenszeit. 500 Jahre sind für ihn möglich. Wenn er blüht, wird es in seiner Nähe nach Vanille duften. Bild: René Imbaumgarten
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Eine Veränderung wünschen, den Wunsch ins Universum schicken, drei Mal tief Ein- und Ausatmen und - fertig ist der Veränderungszauber. Niemand glaubt an solchen Hokus-Pokus, hoffe ich. Doch im Coaching höre ich manchmal, wie rasch, konfliktfrei und wie von Zauberhand erledigt, Wandel und Veränderung geschehen sollten. Als gäbe es für Veränderungen einen On-/Off-Schalter, als wären Veränderungen keine Lernprozesse, oder als ob Führungspersonen und Mitarbeitende nicht Menschen sondern Motoren sind. Als gäbe es kein Wissen über Kommunikation, System-Dynamik oder Vergemeinschaftungsprozesse. Wenn ich dabei noch die Entwicklung der Achtsamkeitsindustrie in den letzten Jahren betrachte, scheint es als wären nicht mehr Neugier, kritisches Denken und Interesse wichtig, sondern immer anwesendes Wolke-7-Gefühl. Damit plädiere ich nicht gegen das Recht auf persönliches Wohlbefinden, sondern hinterfrage seine Überhöhung und kritisiere den Anspruch eines immer anwesenden Hochgefühls. Denn es ist ok, auch wenn nicht alles nach dem eigenen Plan verläuft. So stärkt man die eigene Resilienz, denn sie entwickelt sich durch Erfahrung. Es muss auch nicht jede (Arbeits-)Beziehung einem gefallen und doch kann sie wertvoll sein. Konflikte und kritischer Diskurs, die sich oft unangenehm anfühlen, wenn man mittendrin steckt, sind Brutplätze für neue Erkenntnisse und Innovationen. Veränderung ist immer verbunden mit Chronos und Kairos, dem Ablauf der Zeit und der Qualität von Zeit. Betrachtet man Wandel als Prozess des (Ver-)Lernens und schaut auf die Erfahrungen von eigenen Lernprozessen, dann versteht man leicht, dass es Zeit braucht. Und diese Zeit braucht bestimmte Qualitäten. So kreieren wir den Veränderungszauber gemeinsam und ohne Hokus-Pokus: die grosse Transformationen für eine nachhaltige Welt.
Coaching-Programm Sustainable Development in Action für Ökonominnen, Siedlungsentwickler, Architektinnen, Prozessmanager, Industrie-Designerinnen, Produzenten und Expertinnnen für Wertschöpfungsketten. Warum sind wir in der westlichen Welt so verletzlich und verloren, wenn wir nicht wissen was die Zukunft bringt? Die Planbarkeit der Zukunft - wir sind daran gewohnt. Das Fahren auf Sicht fällt uns schwer, privat und beruflich. Für viele KMUs und Selbständige ist es eine ungemein schwierige Situation. Doch nicht die herausfordernde Situation bringt uns an die mentalen Grenzen, sondern die Gefühle, die damit verbunden sind. Klar ist, es irritiert uns, wenn es nicht nach Plan läuft. Das zeigt sich bereits in Mikro-Situationen: wenn ich beispielsweise mit kleinen Reisegruppen in traditionellen afrikanischen Regionen unterwegs bin und Gäste unruhig werden, weil der Bus nicht pünktlich fährt. Unruhe, vielleicht sogar Unzufriedenheit, weil nicht eintrifft, was angesagt wurde. Was bedeutet das? Es zeugt davon, dass die innere Zufriedenheit an die Abfahrtszeit des Buses geknüpft wird. Diese Verbindung mag leicht absurd wirken, doch wie schnell löst eine äussere Planänderung eine innere Unzufriedenheit oder Zufriedenheit aus? Bezogen auf die Planbarkeit der Zukunft: zwar ist allen klar, dass niemand die Zukunft bis zum letzten Tropfen zuverlässig planen kann. In der westlichen Welt haben wir vieles mit der Agenda durchgetaktet und durchgeplant . Doch Unvorhergesehenes, Überraschungen, und Zugefallenes sind normale Lebenszustände. Damit hat die menschliche Funktionsweise keine Probleme. Zum Glück! So können wir uns entschliessen, das Unbestimmte als etwas Positives anzunehmen. Damit werden wir nicht planlos, sondern bleiben Regisseure im eigenen Leben. Denn wir können entscheiden, wie wir mit Ereignissen, die sich entfalten, umgehen wollen. Entscheiden wir uns, das Unbestimmte der Zukunft als positives Phänomen anzunehmen, meint das nicht keine Pläne mehr zu haben. Jedoch sind dann Planänderungen positive Phänomene und keine negativen Störungen, die versteckt oder ausgemerzt werden müssen. Auch wenn das Unbestimmte positiv angenommen wird, bleiben die Herausforderungen für Selbständige und KMUs bestehen. Doch mit dem Unterschied, dass das Unbestimmte freundlich zur Erkundigung einlädt. Bild: Free-Photos Ich muss mich entscheiden. Im Rhythmus des Herzschlages erscheinen Argumente, Gegenargumente, Enthusiasmus, Zweifel. Bunt und vielfarbig entstehen innere Bilder. Ohne Klarheit. Das ist normal, sagt meine innere Supervisorin, nimm diese Unsicherheit als Chance. Jetzt hast du Zeit zum Nachzudenken. Doch ich will nicht Zeit, ich will es jetzt wissen! In Gedanken schreie ich sie an und werfe ihr die Plattitüden wie altes Teegeschirr vor die Füsse. Es scheppert. Tassen und Teller zersplittern. Das weisse Innere der Keramik wird in den Bruchstellen sichtbar. Die blauen Tassen sind nun sichtbar weiss. Es sind weisse Tassen mit blauer Aussenhaut. Was geht mit dieser Erkenntnis einher? Nach Qoholet ist Erkenntnis eine besondere Form des Wissens, die sich durch ihren Wahrheitsgehalt und ihre Begründbarkeit sowohl vom Nichtwissen als auch vom Scheinwissen unterscheidet[1]. Doch die Welt ist komplizierter als ein Teegeschirr.
Deshalb braucht gelingendes Erkennen die Ausdehnung des Erkenntnishorizont auf die ferne Vergangenheit als auch auf die ferne Zukunft[2]. Doch wer kennt die Zukunft? So bleibt Erkenntnis verwehrt und wir leben in einer Gegenwart mit ihren Rätseln - und meiner Frage: wo sind die Orientierungspunkte für Entscheidungen? Durch deine Werte, antwortet die innere Supervisorin. Das sagen viele,, doch frage ich mich, wie abstrakte Werte wie Gestaltungsraum, Wertschätzung oder Nachhaltigkeit in der Entscheidung helfen sollen? Das sind gute Erklärungsprinzipien[3], aber keine Anleitungen für eine Entscheidung. Was bleibt? Wir müssen uns entschliessen, das Unbestimmte als positives Phänomen zu betrachten[4]. Dann können wir Führung durch die Entfaltung von Ereignissen annehmen. Es ist die offene Hand der Welt und die Kraftlinie zwischen mir und dem, was ich sehe[5]. «Ich und die Welt» sind keine losen Fäden sondern ist ein festes Gewebe. Innen und Aussen sind eng verwoben, eine wechselseitige Beziehung. Aus dieser Beziehung bildet die innere Kraft des Menschen die individuelle Form. Zen-Meister Sokei-an sagt: Ich pflanze einen Samen und der Same keimt. Das ist die Antwort der Natur auf mein Tun[6]. Welche Antworten erhalten Sie auf Ihr Tun? [1][2]Schellenberg, Annette (2002). Erkenntnis als Problem: Qohelet und die alttestamentliche Diskussion um das menschliche Erkennen. Freiburg, Göttingen: Universitätsverlag/ Vandenhoeck Ruprecht. [3] Bateson, G. (2017, 12. Aufl.): Ökologie des Geistes. Frankfurt: Suhrkamp [4] Merleau-Ponty, M. (1974): Phänomenologie des Geistes. Berlin: De Gruyter [5] Merleau-Ponty Phenomenology of Perception zitiert in Jacoby, M. (2003): Making Sense of Expression. Dissertation Philosophie, unveröffentlicht EGS European Graduate School [6] Wydler Hudach, A: Die Aufzeichnungen von Lin-Chi kommentiert von Meister Sokei-an Bild von Pixource auf Pixabay Diversität des 21. Jahrhundert und der Algorithmus, der uns in der eigenen Filterblase hält2/10/2019 Wir bewegen uns in einer globalen Welt. Fast jedes Projekt und jede Aufgabe, ist Teil einer komplexen Matrix. Lösungen, die wir in der Vergangenheit erfolgreich anwenden konnten, funktionieren nicht mehr mit dem gleichen Erfolg. Misserfolg ist das Resultat. Die Pleite von Thomas Cook zeigt es eindrücklich. Der Reisekonzern Thomas Cook führte als erster Anbieter im Jahr 1863 eine Pauschalreise durch (Bewes, 2013). Damals eine Pionierleistung, der den Tourismus in der Schweiz angestossen hat. Heute ist der Konzern Pleite. Betroffen sind rund 600'000 Gäste. Das zeigt, weder Grösse, noch Alter, noch der Pioniergeist in den Anfängen einer Organisation schützen vor Misserfolg. So stellt sich die Frage: wie können wir zukünftige Herausforderungen, beruflich und private, erfolgreich gestalten? Es ist ganz einfach: Die Antwort findest du in deinem Kalender (Torres, 2013) und in deiner Filterblase. Mit wem verbringst du Zeit? Zu welchen Themen? Wohin reist du? Was liest du? Und dann, wie entwickelst du daraus ein Verständnis um potentielle Veränderungen zu verstehen und um hier und heute zu handeln, damit du vorbereitet und bereit bist? Dafür spielt das Mass an Diversität in deinem beruflichen und persönlichen Netzwerk eine grosse Rolle. Doch statt der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, werden Vorurteile und Voreingenommenheit durch die Filterblase und den Algorithmus, der uns in der Filterblase hält, gestärkt. Wir werden umschmeichelt durch das Bestätigen der eigene Gedanken und Sichtweisen. Konkret am Beispiel von Facebook: Weil der Algorithmus gelernt hat, dass mehr Männer als Frauen auf Politwerbung klicken, wird auch in Zukunft politische Werbung mehr Männer als Frauen zeigen (Meier, 1. Oktober 2019, S. 11). Man könnte also sagen, dass wir nur das Gerede vom eigenen Stammtisch hören. So gesehen hat sich nicht viel verändert. Es ist wie früher im Dorf, je nach Stammtisch gibt es eine vorherrschende Meinung und man geht sich aus dem Weg. Wieso ist das heute bei Facebook so? Weil sie pro Klick verdienen und der Algorithmus so programmiert wurde, dass er unsere Vorurteile und Vorlieben befriedigt, damit wir klicken. Das führt dazu, dass wir zwar die Globalisierung bei Lebensmitteln und Produkten sehen, aber die Kapazität im Umgang mit Verschiedenheit noch nicht dazu gehört. So kann es vorkommen, dass wir mit wenig Diversität und viel ‘Cultural Fit’ Transformation und exploratives Lernen verhindern. Dabei ist ein vielfältiges Netzwerk eine gute Ausgangslage um Verhaltensmuster und blinde Flecken von Communities zu erkennen. Ein diverses Netzwerk ist auch eine Quelle für Agilität, Kreativität und Lösungen. Denn es gibt Menschen, die anders denken als du. Die Vielfalt deines Netzwerkes zeigt auch deine Kapazität mit Menschen in Beziehung zu treten, die anders sind als du. Und dass sie trotz dieser Unterschiede genügend Vertrauen zu dir haben, um mit dir zusammenzuarbeiten und ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Quellen: Bewes, D. (2013): Slow Train to Switzerland. London: Nicholas Brealey Meier, P. (1. Oktober 2019): Facebook bestimmt die Empfänger. Bieler Tagblatt S. 11 Strobl, R.; Geradtz, D.; Oberpriller, S. (2. Oktober 2019): Thomas-Cook-Pleite: Versicherung hat bittere Nachricht für deutsche Urlauber. Merkur.de Torres, Roselinde (2013): What it takes to be a great leader. Ted Talk. Ambidextrie beschäftigt sich mit den zwei Dynamiken im organisationalen Lernen (March, 1991): Exploitation und Exploration. Unternehmen lernen aus den vergangenen Erfahrungen, Exploitation genannt. Unternehmen lernen aber auch durch Generierung von neuem Wissen, das ausserhalb der bisherigen Erfahrungen generiert wurde, die Exploration. Würden Organisationen nur aus vergangenen Erfahrungen lernen und die bereits vorhandenen Stärken und Kompetenzen nutzen, hätte man zwar einen Wissensgewinn, aber nur in den bekannten Tätigkeitsfeldern. Hingegen verbreitert neues Wissen die unternehmerische Basis insgesamt. Das Unternehmen gewinnt neue Kompetenzen und kann flexibel auf Veränderungen reagieren (Keller, 2012). Doch Wissen kann Neues verhindern.
Sind Chefs und Kolleginnen im mentalen Modus «Wissen», dann wird nur bestätigt, was schon gewusst wird, analysierte Scharmer (2009). Das ändert sich, wenn man einer Sache mit einem offenen Geist gegenübersteht. Dann werden zumindest Abweichungen zum bisherigen Wissen wahrgenommen. Wird der offene Geist mit Empathie verbunden, dann sieht und versteht man die Sache durch die Augen der anderen. Ist auch noch der Wille für Neues vorhanden, dann wird das generative Potential wahrgenommen. Es entsteht Raum für einen generischen Prozess. Neues Wissen generiert sich. Doch wieso geschieht das an normalen Arbeitstagen so wenig? Vielleicht, weil für viele (Vorgesetzte) der Verlust an Kontrolle eine zu grosse Angst ist. Diese Angst lässt sich mit der Grundhaltung der Demut überwinden. Demut hat eine hohe Kompetenz zur Angstüberwindung und hilft bei der Steuerung von komplexen, sozialen Systemen (Bangert, 2016). Demut bewahrt uns vor Selbstüberschätzung. Sie macht uns agil und langfristig erfolgreich. Das wissen offenbar auch Leonardo DiCaprio und Brad Pitt . Sie wurden nach ihrem Erfolgsrezept für ihre fast 30 Jahre an der Spitze angefragt. Ihre Antwort: Ernsthaftigkeit und eine gewisse Demut. Quellen: Bangert, M. (2016): "Weltmeisterliche Demut" in Geramanis, O. & Kermann, K. (Hrsg): Führen in ungewissen Zeiten. Wiesbaden: Springer Gabler Keller, T. (2012): Verhalten zwischen Exploitation und Exploration. Unveröffentlichte Dissertation. FernUniversität Hagen: 2012. March, J. G. (1991): Exploration and exploitation in organizational learning. Organization Science, 2 (1), 71-87 Scharmer, C. O. (2009): Theorie U – von der Zukunft her führen, Heidelberg: Carl-Auer Verlag Sturm, R. (2019): Leonardo DiCaprio und Brad Pitt: Der Weg der Giganten. The Red Bulletin Schweiz, September 2019 |
AutorinAstrid Frischknecht Archiv
December 2023
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