In unserem Leben kann keine positive Veränderung geschehen, solange man sich an den Gedanken klammert, der Grund dafür, dass man nicht gut lebt, liege ausserhalb einem selbst. Jede und jeder entscheidet für sich selbst im ganz persönlichen Leben. Auch wenn die äusseren Einschränkungen übermächtig erscheinen, bleibt immer noch die innere Freiheit und die Wahl darüber, mit welcher Haltung man diese Einschränkungen entgegen nehmen will.
Nietzsche spricht von amor fati (Liebe zum Schicksal): Erschaffe das Schicksal, das du liebst. Wenn man sich auf dieses Gedankenexperiment einlässt, dann stellen sich lebensverändernde Fragen: Was kannst du jetzt in deinem Leben tun, damit du nicht in ein oder fünf Jahren wieder zurückblickst und eine ähnliche Bestürzung angesichts deines Bedauerns empfindest? Welchen Weg im Leben findest du um nicht weiteres Bedauern über dein Leben anzuhäufen? Quelle: Yalom, Irvin D. (2008): In die Sonne schauen. Wie man die Angst vor dem Tod überwindet. München: btb Verlag Bild: Daniel Nebrada, Pixabay
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Kürzlich nahm ich an einer Konversation zu Achtsamkeit und Umgang mit Rassismus teil. Sharon Salzberg, eine Rednerin, wurde gefragt, wie sie Sicherheit definieren würde. Ihre Antwort: Die Fähigkeit, dem Unerwarteten zu begegnen.
Um in diesen Zeiten die eigene Sicherheit wieder zu gewinnen und eine Perspektive zu haben, braucht es eine gewisse Form von innerer Zentrierung. Was ist das und wie erkennt man sie? Am deutlichsten merkt man es, wenn man sie verloren hat. Wenn beispielsweise die Gedanken beim Nachtessen in der Sitzung sind und nicht am gemeinsamen Tisch mit Familie oder Freunden. Statt Messer und Gabel in den Händen zu spüren, vergisst man vor lauter Sitzungsgedanken, wo man eigentlich sitzt. Vielleicht war die Sitzung online und man sass bereits vorher an diesem Esstisch? Kein Wunder also, dass man noch immer in der Sitzung ist. Im Homeoffice wird mancher Esstisch zur Arbeitsfläche. Um eine innere Zentrierung für das Abendessen zu finden, braucht es eine Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit. Wenn es nicht mehr unterschiedliche Orte sind, kann ein einfaches Ritual helfen. Eine Kollegin erzählte mir von einer Bekannten, die am Abend nach der Arbeit im Homeoffice Mantel und Schuhe anzieht, das Haus verlässt, einmal um den Block spaziert und dann nach Hause kommt und Feierabend hat. Sie fühlt sich dadurch besser und sicherer in diesen herausfordernden Zeiten. Link: Mindfulness and racial healing with Ruth King, Sharon Salzberg and Stephen Nachmanovitch Unter dem Titel «Ausbrecherkönigin» erzählt Léa in einem ganzseitigen Inserat über ihren Ausgleich zum stressigen Alltag. Sie fährt mit ihrem Bus in die Berge und erklimmt 4’000er. Die Werbung läuft im Auftrag von auto-schweiz, dem Verband der 35 Generalimporteure von Autos. Ein cleveres Marketing, das fragt welche Beziehung die Schweiz zum Auto hat und gleichzeitig antwortet: «das Auto schenkt ein Gefühl der Freiheit». «Was macht uns glücklich», fragt der Verband für Ausbildungsfachleute im neusten Newsletter. Es wird nicht erwartet, dass wir darüber nachdenken. Der Verband kennt die Antwort bereits: ein Kurs in positiver Psychologie. Zwei Beispiele, die durch ihr Muster den Leser, die Leserin einladen, mitzudenken. Das Mitdenken wir aber gleich wieder auf Stand-By-Modus gesetzt. Damit steht zwischen den Zeilen folgende Botschaft: «nur keinen Stress, alles im Griff. Wir antworten und du bist glücklich, fühlst dich frei und deine Wäsche ist sauber.» Alles nur Werbung? Ja und nein. Denn diese Kommunikationsmuster wirken auf uns, ohne dass deshalb gleich das neoliberale Wirtschaftssystem ‘profit over people’ kritisiert werden muss. Die Analyse ‘Zwischen-den-Zeilen’ teilt uns mit, dass persönliche Fragen zwar gestellt werden, die Antworten aber nicht von uns persönlich, sondern von einer anderen Instanz gegeben werden. Das Muster sagt uns: herausfordernde Fragestellungen zum eigenen Leben werden für uns von jemandem gelöst. Ob Bücher, Promis oder Management-Gurus – auf eine herausfordernde Frage folgt sogleich die richtige Antwort. Doch statt Antworten, könnten wir die Fragen lieben. Rilke lädt dazu ein. Was mich bewegt
von Rainer Maria Rilke Man muss den Dingen, die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt, und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann; alles ist austragen – und dann Gebären. Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch! Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos still und weit. Man muss Geduld haben, gegen das Ungelöste im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forsche jetzt nicht nach Antworten, die dir nicht gegeben werden können, weil du sie nicht leben kannst, und es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antwort hinein. Maschinen, die lernen und mit ihrer künstliche Intelligenz in Zukunft unsere Software entwickeln? Wir bewegen uns in Algorithmen und Filterblasen als globale Form des Stammtisches: man trifft sich mit Gleichgesinnten und redet als wäre die eigene Sichtweise die einzige Wahrheit. Wie können wir in einem solchen Umfeld laterales Denken, Ambiguitätstoleranz und emotionale Intelligenz entwickeln? Denn Beziehungen sind keine Codes und emotionale Intelligenz zeigt sich dann, wenn man die Filterblase und den Stammtisch verlässt und sich mit Andersdenkenden austauscht. Was bedeutet das für Trainings, für Learning & Development, Leadership Programme? Eindeutig: weg vom Trainingslabor hin zur reflektierten Praxis!
In der reflektierten Praxis wird der Performanz, der Anwendung von Wissen in der Praxis, höchste Beachtung geschenkt. Denn Wissen, das nicht angewendet wird, ist nutzlos, weil es keinen Wert erzeugt. Ausserdem ist es keine Kompetenz, denn Wissen ohne Handlungsorientierung ist keine Kompetenz. Kompetenz zeigt sich über das konkrete Handeln, die Performanz. Für den Aufbau von Sozial-, Methoden und personale Kompetenzen werden unzählige Trainings, Kurse und Leadership-Programme angeboten. Mit welchem Ergebnis? Mit bescheidener Performanz! Woran liegt das? Sind es die falschen Trainings? Schlechte Trainerinnen und Kursleiter? Liegt es an den Mitarbeitenden, die es nicht anpacken? Vielleicht das eine oder andere oder alles zusammen. Aber auch wenn alles stimmt, die Performanz bleibt bescheiden, weil sich emotionale Intelligenz nur in der Praxis entwickelt. Theoretisch ist es leicht, konstruktiv zu kommunizieren, wenn man keinen Ärger spürt. In der Fallstudie ist einfach, kollektive Emotionen in eine positive Richtung zu lenken und dabei den Smog negativer Gefühle zu vermeiden. Dr. Marie-Louise Harnik und Christoph Lauterburg haben ein Konzept für die reflektierte Praxis entwickelt. Vor vielen Jahren hat Harnik, damalige Abteilungschefin Ausbildung SBB und Lauterburg, Berater für Organisationsentwicklung, in den SBB ein neues Instrument zur Entwicklung von Leadership eingesetzt: kollegiales Coaching in Gruppen. Eine regelmässige, kritische Reflexion des eigenen Tuns gemeinsam mit anderen, die gleiche oder ähnliche Aufgaben haben. In der Evaluation zeigte sich, dass «individuelle Problemlösungskompetenzen im sozialen Bereich deutlich entwickelt wurden und konkrete Probleme im betrieblichen Umfeld angepackt und gelöst wurden». Und das bei gleichbleibenden Ausbildungskosten. In der Weiterentwicklung haben wird diese Coaching-Gruppen mit kurzen Impulsen und theoretischen Modellen ergänzt, je nach Bedarf der Teilnehmenden und des Unternehmens. Dadurch werden Erfahrungen reflektiert, Wissen und Handlungsoptionen erweitert. Der Teilnehmer, die Teilnehmerin erarbeitet sich ein umfassendes Bild der Situation und entwickelt die individuell-passende und situativ-konkrete Handlungsweise. Info: Kollegiales Coaching in Gruppen (pdf) Quellen: Goleman, Daniel (2003): Emotionale Führung. Ulm: Ullstein-Verlag Harnik, Marie-Louise; Lauterburg, Christoph (1994) in OrganisationsEntwicklung 1/1994, Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management Lauterburg, Christoph (2001): Gute Manager fallen nicht vom Himmel in OrganisationsEntwicklung 2/2001, Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management Lippmann, Eric (2004): Intervision. Kollegiales Coaching professionell gestalten. Berlin, Heidelberg, New York: Springer Diversität des 21. Jahrhundert und der Algorithmus, der uns in der eigenen Filterblase hält2/10/2019 Wir bewegen uns in einer globalen Welt. Fast jedes Projekt und jede Aufgabe, ist Teil einer komplexen Matrix. Lösungen, die wir in der Vergangenheit erfolgreich anwenden konnten, funktionieren nicht mehr mit dem gleichen Erfolg. Misserfolg ist das Resultat. Die Pleite von Thomas Cook zeigt es eindrücklich. Der Reisekonzern Thomas Cook führte als erster Anbieter im Jahr 1863 eine Pauschalreise durch (Bewes, 2013). Damals eine Pionierleistung, der den Tourismus in der Schweiz angestossen hat. Heute ist der Konzern Pleite. Betroffen sind rund 600'000 Gäste. Das zeigt, weder Grösse, noch Alter, noch der Pioniergeist in den Anfängen einer Organisation schützen vor Misserfolg. So stellt sich die Frage: wie können wir zukünftige Herausforderungen, beruflich und private, erfolgreich gestalten? Es ist ganz einfach: Die Antwort findest du in deinem Kalender (Torres, 2013) und in deiner Filterblase. Mit wem verbringst du Zeit? Zu welchen Themen? Wohin reist du? Was liest du? Und dann, wie entwickelst du daraus ein Verständnis um potentielle Veränderungen zu verstehen und um hier und heute zu handeln, damit du vorbereitet und bereit bist? Dafür spielt das Mass an Diversität in deinem beruflichen und persönlichen Netzwerk eine grosse Rolle. Doch statt der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, werden Vorurteile und Voreingenommenheit durch die Filterblase und den Algorithmus, der uns in der Filterblase hält, gestärkt. Wir werden umschmeichelt durch das Bestätigen der eigene Gedanken und Sichtweisen. Konkret am Beispiel von Facebook: Weil der Algorithmus gelernt hat, dass mehr Männer als Frauen auf Politwerbung klicken, wird auch in Zukunft politische Werbung mehr Männer als Frauen zeigen (Meier, 1. Oktober 2019, S. 11). Man könnte also sagen, dass wir nur das Gerede vom eigenen Stammtisch hören. So gesehen hat sich nicht viel verändert. Es ist wie früher im Dorf, je nach Stammtisch gibt es eine vorherrschende Meinung und man geht sich aus dem Weg. Wieso ist das heute bei Facebook so? Weil sie pro Klick verdienen und der Algorithmus so programmiert wurde, dass er unsere Vorurteile und Vorlieben befriedigt, damit wir klicken. Das führt dazu, dass wir zwar die Globalisierung bei Lebensmitteln und Produkten sehen, aber die Kapazität im Umgang mit Verschiedenheit noch nicht dazu gehört. So kann es vorkommen, dass wir mit wenig Diversität und viel ‘Cultural Fit’ Transformation und exploratives Lernen verhindern. Dabei ist ein vielfältiges Netzwerk eine gute Ausgangslage um Verhaltensmuster und blinde Flecken von Communities zu erkennen. Ein diverses Netzwerk ist auch eine Quelle für Agilität, Kreativität und Lösungen. Denn es gibt Menschen, die anders denken als du. Die Vielfalt deines Netzwerkes zeigt auch deine Kapazität mit Menschen in Beziehung zu treten, die anders sind als du. Und dass sie trotz dieser Unterschiede genügend Vertrauen zu dir haben, um mit dir zusammenzuarbeiten und ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Quellen: Bewes, D. (2013): Slow Train to Switzerland. London: Nicholas Brealey Meier, P. (1. Oktober 2019): Facebook bestimmt die Empfänger. Bieler Tagblatt S. 11 Strobl, R.; Geradtz, D.; Oberpriller, S. (2. Oktober 2019): Thomas-Cook-Pleite: Versicherung hat bittere Nachricht für deutsche Urlauber. Merkur.de Torres, Roselinde (2013): What it takes to be a great leader. Ted Talk. Wäre Fernsehen ein Indikator für Faulheit, wären wir im 2018 weniger faul gewesen. 2 Stunden pro Tag haben die deutschsprachigen Schweizer*innen im letzten Jahr ferngesehen. Rund 20 Minuten weniger als im 2005. Doch werden für die Statistik nur die traditionellen Medien berücksichtigt. Dank den Angeboten von Netflix & Co. verbringen wir vermutlich viel mehr Zeit mit trägem Nichtstun und unserer Faulheit.
Aus buddhistischer Sicht gibt es vier Arten von Faulheit:
Quellen: Arendt, Hannah (2014): Vita Activa oder vom tätigen Leben. 14. Aufl. München: Piper Kalden, Tenzin (2019): Vier Arten von Faulheit. (Unveröffentlichte Unterlagen). Zürich BFS Medienstatistik 2018 https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kultur-medien-informationsgesellschaft-sport/erhebungen/ms.assetdetail.8749.html |
AutorinAstrid Frischknecht Archiv
December 2023
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